Günther Oberhollenzer

Es ist eine wundersame Welt, in die uns Larissa Leverenz mit ihren Arbeiten entführt. Einer Welt von surreal fremder und doch vertraut wirkender Schönheit. Leverenz schöpft in ihrer künstlerischen Arbeit aus dem Fundus des Lebens, aus ihrer Kindheit und ihren Träumen. Es sind stets persönliche, die Künstlerin berührende Themen, die zum Bild werden. In ihren neuen Arbeiten lässt sie sich von den unendlichen Weiten des Weltraums inspirieren, aber auch von der Digitalisierung unserer multimedialen Gegenwart. Der Kosmos und die unbekannten Weiten des Alls gelten in einer romantischen Vorstellung als Sehnsuchtsraum und als einer der letzten unerforschten Gebiete, gleichzeitig sind sie als solche bereits vom Menschen besetzt – die Künstlerin zeigt populäre Motive aus Science-Fiction-Filmen, etwa das Raumschiff aus Star Trek, ebenso wie den stetig zunehmenden Satelliten-Verkehr als Metapher für die Ergründung der letzten verborgenen Winkel unserer Welt und deren digitalen Überwachung.

Ihre Bilder versteht Leverenz als „Räume von Möglichkeiten“. Wir BetracherInnen nähern uns wie ForscherInnen den kaum verortbaren, multiperspektivischen Bildräumen, den ineinander verwobenen Architekturen und entdecken die Unendlichkeit; wir schauen weiter und weiter hinein, bewegen uns durch das Bild, finden immer wieder neue Perspektiven und überraschende Blickwinkel. Mit ausgeklügelte Blickregie lässt Leverenz innerhalb der geometrischen Formen und Flächen figurative Elemente wie Satelliten, Asteroide oder Planeten auftauchen, wodurch konkrete Bezugspunkte und Sichtachsen entstehen. In dieses Setting streut sie wiederum abstrakte Elemente, etwa eine immer wiederkehrende gestisch-kalligrafische Schlangenform, lasierend mit Tusche gemalt, oder auch bunt gedruckte, sich auflösende Farbkleckse. Die Grenze zwischen Figuration und Abstraktion wird aufgehoben.

Dünne Holzplatten wie Pappel, Birke oder Linde dienen als Bildträger, ihre roh belassene, natürliche Maserung in hellen Brauntönen als Bildhintergrund. Leverenz malt und zeichnet, druckt und collagiert mit liebevollem Detailreichtum in einem zart zurückhaltenden Kolorit an warmen Farbtönen, wobei die einzelnen Techniken, etwa die malerischen und drucktechnischen Schichten, nur bei genauem Hinsehen und der Kenntnis des Verfahrens voneinander unterscheinbar sind. Mit neugierigem Interesse beschäftigt sich die Künstlerin mit Grundfragen der Malerei, wie Licht und Schatten, Fläche und Raum, Volumen und Tiefe, sie vereint mit sensiblen Gespür grafische und malerische Elemente, geometrische und organische Formen. Leverenz legt ihre Kompositionen überaus ideenreich an, spielt geschickt mit dem Zeichenrepertoire und den Farbflächen, erzählt wunderbare Kolorit- und Formgeschichten auch jenseits des Gegenstands. Die transparenten, sich  subtil überlagernden, geometrischen Farbflächen, die Rechtecke, Stäbe und wellenartigen Formen verleihen dem Bild in einer Variation von Dichte und Leere eine hohe Spannung und Dynamik. 

Wie Leverenz ihr Figuren, Objekte und Architekturen in die kaum verortbaren, multiperspektivischen Bildräume arrangiert, erinnert an die Dramaturgie einer Bühneninszenierung. Die Künstlerin ist Spielleiterin und Regisseurin, es sind aber keine Geschichten, die sie zur Aufführung bringt, sondern nur Szenenbilder und Fragmente. Aus sicherer Distanz, aber mit viel Empathie blickt sie auf ihre Welt. Leverenz liebt den „Reiz der Unordnung“ und doch ist alles sehr präzise komponiert und von großer Leichtigkeit, ernsthaft und doch getragen von einem feinen Humor. Dargestellt sind nicht konkrete Ereignisse oder Geschichten, sondern persönlich Empfundenes und Gefühltes, allegorische Bilder, eine Grundstimmung, etwas nicht konkret Benennbares. Diese tragen in ihrer geheimnisvollen Vieldeutigkeit etwas Unbenennbares in sich, das sich dem wörtlichen Zugriff entzieht. „Wir leben in einer Zeit des Umbruchs und so genau die Vermessung unseres Globus auch sein mag, so unberechenbar präsentiert sich uns unsere Zukunft“, betont die Künstlerin. Sie versuche in ihrer Kunst auf tragikomische Weise „eine Idee von Herkunft und Wesen unseres Selbst zu vermitteln“. Es sind Bilder, denen etwas Existenzielles innewohnt, die verschiedene Dimensionen, Sichtweisen und potenzielle Möglichkeiten zeigen – letztendlich mehr eine sensible Innenschau, denn ein Blick in die Weiten des Alls.

Günther Oberhollenzer



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